Barrierefreie Betriebssysteme für Smartphones
Grundvoraussetzung für die Bedienbarkeit eines Smartphones ist die Beschaffenheit des Betriebssystems. Hier ist sind wichtige Aspekte zur Barrierefreiheit der Betriebssoftware beider Marktführer Apple und Google zusammengefasst.
Definition von Smartphone, App und Betriebssystem
- Ein Smartphone ist ein Mobiltelefon kombiniert mit Computerfunktionen. Es erfüllt die Funktion eines Mediaplayers, einer Videokamera, eines GPS-Navigationsgeräts und eines persönlichen digitalen Assistenten. Zentrale Merkmale sind der berührungsempfindliche Bildschirm und die Verbindung zum Internet. Über einen Online-Shop können Anwendungen für das jeweilige Endgerät heruntergeladen werden.
- Applikation (kurz: App) bedeutet Computerprogramm. Im heutigen Sprachgebrauch sind Apps meist Anwendungen für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets. Nutzerinnen und Nutzer können Apps über den so genannten App-Store, der in das Betriebssystem integriert ist, beziehen und direkt auf dem Endgerät installieren. Da Apps mit weniger Aufwand programmiert werden können als ältere Computerprogramme, kommen ständig neue Innovationen auf den Markt.
- Das Betriebssystem ist die Grundlage für die Nutzung eines Smartphones. Es besteht aus einer Kombination mehrerer Softwaresysteme und bildet die Schnittstelle zwischen Hardware und Software. Das Betriebssystem erstellt die Benutzeroberfläche, auf der die Apps verwaltet werden können. Zu einem Betriebssystem gehören die Standardprogramme wie Telefon, Kamera, Kalender, Uhr, App-Store und Adressbuch. Das Betriebssystem bestimmt das Aussehen und die möglichen Funktionen des Smartphones.
Welche Betriebssysteme gibt es?
Es gibt verschiedene Anbieter von Betriebssystemen. Die bekanntesten sind iOS und Android.
- iOS ist das System von Apple. Dieses System ist nur auf Geräten dieser Firma verfügbar. Neben den Smartphones der iPhone-Reihe sind auch die Tablets iPad und iPod touch mit diesem System ausgestattet.
- Android ist das System der Open Handset Alliance (Hauptmitglied: Google) und wird auf Geräten verschiedener Hersteller angeboten. Anbieter von Android sind beispielsweise Samsung, HTC, Sony, LG, Huawei, Google und Nokia. Jeder Hersteller hat die Möglichkeit, das Layout des Systems nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und zu verändern.
Im Folgenden werden nur die Systeme der Marktführer betrachtet. Auf die Barrierefreiheit der anderen Systeme wird nicht eingegangen.
iOS System von Apple
Apple bietet eine Vielzahl von Bedienungshilfen an. Das Unternehmen selbst teilt sie in vier Kategorien ein:
Sehen
Im Bereich Sehen bietet Apple ein Voice Over System an, das sowohl in eigenen Apps als auch in Apps von Drittanbietern funktioniert. Durch zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten kann das Programm individualisiert und für Menschen mit Sehbehinderung nutzbar gemacht werden. Darüber hinaus können Anzeige und Schrift angepasst, z.B. vergrößert, werden. Durch vorgelesene Bildschirminhalte oder die Diktierfunktion übernimmt das Smartphone viele alltägliche Aufgaben. Der integrierte persönliche Assistent „Siri“ erweitert diese Funktionen zusätzlich. Durch Sprachbefehle kann er verschiedene Aufgaben erledigen, z.B. Wecker stellen, jemanden anrufen, Nachrichten verfassen und versenden, Kalendereinträge vornehmen etc.
Hören
Für Hörgeschädigte hat Apple in Zusammenarbeit mit Hörgeräteherstellern eine Verbindung zwischen Hörgerät und Smartphone geschaffen.Trägt ein Hörgerät den Zusatz „made for iPhone“, kann es über Bluetooth mit dem Smartphone verbunden werden. Durch zusätzliche Funktionen bietet dies Vorteile beim Telefonieren, Musikhören und bei Gesprächen in lauter Umgebung. Mit dem Programm „Face Time“ können auch Gehörlose per Videoverbindung telefonieren, und im systeminternen Store können Filme mit Untertiteln heruntergeladen werden.
Steuern
Die Steuerung des Smartphones kann über Siri oder eine Schaltersteuerung erfolgen. Bei der Schaltersteuerung wird ein externes Gerät über Bluetooth mit dem Smartphone verbunden. Zusätzlich kann die Empfindlichkeit des Touchscreens an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden.
Um Schwierigkeiten bei der Texteingabe zu reduzieren, gibt es eine Texterkennung und die Möglichkeit, eine externe Tastatur anzuschließen. Das Programm erkennt dann bereits während des Schreibens die Wörter und beendet die Eingabe automatisch.
Lesen und Lernen
Um das Lesen auf dem Smartphone zu erleichtern, gibt es drei verschiedene Vorlesefunktionen:
- ganzen Bildschirm vorlesen
- markierte Stellen vorlesen
- einzelne Buchstaben bei der Eingabe in das Gerät
Auch das Schreiben wird durch eine Texterkennung unterstützt. Zum geschriebenen Text werden die richtige Schreibweise sowie weitere Wörter vorgeschlagen, mit denen der Satz fortgesetzt werden könnte. Ein installiertes Wörterbuch kann zusätzlich die Bedeutung der Wörter erklären.
Android System von Google
Google stellt eine Standardversion von Android den einzelnen Smartphone-Herstellern zur Verfügung. Hier finden sich unter den Bedienungshilfen verschiedene Funktionen zur barrierefreien Nutzung, die sich wie folgt unterteilen lassen.
Sprachausgabe
Die Sprachausgabe im Android-System wird als „TalkBack“ bezeichnet. Diese Funktion informiert über Warnmeldungen und Benachrichtigungen auf dem Smartphone. Aktiviert wird TalkBack in den Geräteeinstellungen oder durch drei Sekunden langes Drücken beider Lautstärketasten.
Sollen nur einzelne Abschnitte oder Elemente vorgelesen oder Bildelemente beschrieben werden, steht die Funktion „Vorlesen“ zur Verfügung. Durch Antippen wird ein einzelnes Element, durch Wischen mehrere Elemente ausgewählt. Durch Drücken der Wiedergabetaste werden alle Markierungen nacheinander vorgelesen. Das Vorlesen kann angehalten, abgespielt, vor- und zurückgespult und die Sprechgeschwindigkeit angepasst werden.
Steuerung
Alternativ zur Bedienung über den Touchscreen kann das Smartphone auch über externe Schalter, Tastaturen oder Mäuse gesteuert werden. Diese Geräte werden per USB-Kabel oder drahtlos per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden. Eine oder mehrere Tasten der Tastatur können mit einer Aktion belegt werden. Bei der Schaltersteuerung leuchten die einzelnen Auswahlpunkte auf dem Smartphone nacheinander auf und werden durch Betätigen des Schalters ausgewählt.
Alternativ kann eine Braillezeile über Bluetooth angeschlossen werden. Diese kann mit „TalkBack“ kombiniert werden, wodurch Texte in Sprache oder Braille ausgegeben werden können. Auch das Smartphone kann über eine Braillezeile bedient werden, allerdings nur bei bestimmten Modellen. Um diese Funktion nutzen zu können, muss eine App aus dem Store heruntergeladen werden. Eine Übersicht und Anleitung finden Sie auf der Seite des Herstellers.
Bildschirmanpassung
Zur individuellen Anpassung des Bildschirms können die Anzeige, die Schriftgröße sowie die Kontrast- und Farbeinstellungen verändert werden. Die Anpassung von Schrift und Anzeige ist erst ab Android 7.0 anwendbar, die Farb- und Kontrasteinstellungen bereits ab Android 5.0. Mit einer Farbkorrektur kann eine Rot-Grün-Sehschwäche sowie eine Blau-Gelb-Sehschwäche ausgeglichen werden.
Um den Bildschirm zwischendurch zu vergrößern, gibt es zwei Möglichkeiten. Durch dreimaliges Tippen auf den Bildschirm wird der entsprechende Ausschnitt vergrößert. Nun kann man das gezoomte Fenster verschieben und durch Zusammen- oder Auseinanderziehen der Finger die Zoomstufe anpassen. Durch erneutes dreimaliges Tippen wird der Zoom wieder beendet. Alternativ kann der Zoom auch über das Bedienungshilfesymbol aufgerufen werden. Die Navigation im Zoomfenster funktioniert auf die gleiche Weise.
Untertitel
Zusätzlich können Untertitel aktiviert werden. Diese können in Sprache, Schriftgröße, Stil, Farbe und Hintergrund individuell angepasst werden. Eine Sprachsteuerung ist derzeit nur in englischer Sprache möglich und befindet sich noch in der Testphase.
Sprachausgabe bei der Inbetriebnahme des Smartphones
Für Menschen mit Sehbehinderung ist es besonders wichtig, dass die Sprachausgabe bereits auf dem Einstellungsbildschirm selbständig aktiviert werden kann.
Beim iPhone startet die Sprachausgabe nach dreimaligem schnellen Drücken des Home-Buttons. Allerdings startet der Assistent in englischer Sprache. Im nächsten Schritt muss die gewünschte Sprache ausgewählt werden und der Voice Over startet automatisch in der gewählten Sprache.
Diese Methode funktioniert allerdings nicht beim neuen Modell iPhone X, da es dort keinen Home-Button mehr gibt.
Im Android-Betriebssystem kann TalkBack ebenfalls über den Einstellungsbildschirm gestartet werden. Ab der Betriebssystemversion 4.1 tippt man mit zwei Fingern gleichzeitig auf den Bildschirm, bis die Bewegung erkannt und TalkBack aktiviert wird. Ein Tutorial wird automatisch gestartet.
Bei älteren Android-Systemen muss mit einem Finger ein geschlossenes Rechteck auf den Bildschirm gezeichnet werden. Bei Erkennung ertönt ein Signal und die Sprachausgabe wird aktiviert.
Zusammenfassung
Zum Thema Barrierefreiheit von Smartphones und Tablets gibt es im Internet zahlreiche Testberichte. Bisher hatte Apple immer die Nase vorn und punktete vor allem mit der einfachen Bedienbarkeit, insbesondere für Sehbehinderte.
Doch Android holt auf. Das große Problem bei Android ist jedoch die Individualisierung der Benutzeroberflächen für die einzelnen Hersteller. Die Designs können in Form, Farbe und Anordnung neu zusammengestellt werden, was dazu führt, dass einige vorinstallierte Programme, wie z.B. die Sprachausgabe, bestimmte Inhalte nicht erfassen können und somit Fehler möglich sind. Ob und bei welchen Geräten dies der Fall ist, lässt sich im Vorfeld nur schwer feststellen. Zudem ist nicht sichergestellt, dass alle verfügbaren Apps mit den Bedienungshilfen kompatibel sind.
Apple bietet eine sichere Verfügbarkeit von Bedienungshilfen, Android ist oft die kostengünstigere Alternative. Eine Entscheidung für Android kann jedoch mehr Aufwand durch Recherche und Anfragen beim Hersteller erfordern.
(Stand: 2019)